Nach 1989: Die Wende und ein neuer Anfang in der alten Heimat.
Die Grafen zu Lynar fanden sich nach der deutschen Teilung in aller Welt verstreut. Ihre Heimat Lübbenau war enteignet und in viele Hände aufgeteilt. Während der deutschen Teilung reisten einige Lynars nach Lübbenau und unterhielten unter anderem ein gutes Verhältnis zum dortigen Pfarrer Gottfried Vetter, der nachhaltig an das Schicksal des Kirchenpatrons Graf Wilfried erinnerte. In der Lübbenauer Nikolaikirche sorgte er dafür, dass das Kreuz aus Kiefernholz, das Graf Wilfried in Seese anfertigen ließ, aufgehängt werden konnte. Zu diesem feierlichen Akt wurden auch die Grafen Friedrich und Christian mit ihren Frauen im Jahr 1983 eingeladen, die dieser Einladung gerne nachkamen (es durften nur vier Familienmitglieder sowie deren Kinder einreisen). 1989, kurz nach dem Fall der Mauer, stellte Graf Christian den Antrag auf Rückübertragung, 1991 folgte die erfolgreiche Restitution und ein erneuter Wendepunkt in der Familiengeschichte der Lynars war geschehen.
Nun stellte sich die Frage der Nutzung. Eine Lynarsche Familienresidenz wurde von Anfang ausgeschlossen. Aufgrund der prominenten Lage im Spreewald lag eine touristische Nutzung nahe, zumal das Haus bis dato schon als Hotel diente. Und so wurden die Lynars Hoteliers. 1992 begann unter der Federführung von Christian und seinem Bruder Guido, der inzwischen aus Portugal in seine alte Heimat zurückgekehrt war, die schrittweise Renovierung des Hauptgebäudes und der Ausbau des Schlosses zum Vier-Sterne-Hotel.
Seitdem sind viele kleinere und größere Umbauarbeiten dazu gekommen, wie zum Beispiel der 2006 geschaffene Wellnessbereich im Schlossgewölbe. Mit dem Ausbau der Orangerie begann 2004 für die Familie die Arbeit an weiteren Gebäuden des Schlossensembles. Die Orangerie ist seit der Eröffnung 2004 ein viel besuchter Ort für Veranstaltungen und Festlichkeiten unterschiedlicher Ausrichtung. Seit 2010 steht der Marstall – vormals Kavalierhaus oder Efeuhaus genannt – nach aufwendiger Restaurierung mit großzügigen Doppelzimmern, Ferienapartments und Suiten Spreewald-Urlaubern offen. Die ehemalige Justiz- und Gerichtskanzlei wurde als letztes Gebäude des Ensembles 2019 mit vier großzügigen Suiten im historischem Charme hergerichtet und eröffnet.
2011 erhielt das Schloss-Restaurant den Namen „Linari“, eine Reminiszenz an die italienischen Wurzeln der Familie Lynar. Seit 2011 wird auch der Schlosspark, der zwischen 1945 und 1990 keine hinreichende Pflege mehr erhielt, nach landschaftsplanerischen Maßstäben umgestaltet, so dass die Gebäude des Schlossensembles mit dem Park wieder eine harmonische Einheit bilden. 2015 erhielt das Schloss seinen „Dritten Flügel“. Der 325 Quadratmeter große Saal bietet mit stilvollem Interieur und Blick in den Schlosspark den Rahmen für Hochzeiten, Tagungen und Veranstaltungen unterschiedlichster Ausrichtung und fügt sich damit als bislang letzte architektonische Ergänzung in das Schlossensemble.
Diese Entwicklungen hat Graf Guidos Sohn Rochus Graf zu Lynar vorangetrieben. Denn ihm kam schließlich die Aufgabe zu, die Familientradition ins neue Jahrtausend zu führen. Beruflich war er im Jahr 2000 in Brasilien. Ein Anruf und ein Satz seines Vaters änderten jedoch die bisherigen Lebenspläne: „Ich habe einen Job für dich“, sagte Graf Guido zu seinem Sohn. Das war im Nachhinein wohl eine ziemliche Untertreibung. Fortan fand Graf Rochus seine Lebensaufgabe in Brandenburg im Spreewald, weit weg von seiner Heimat Portugal, wo er aufwuchs. Aber es war die Heimat seiner Ahnen, seines Großvaters und seines Vaters. Auch wenn er Lübbenau kaum kannte, so war es ein Ort von großer familiärer Bedeutung. Ein Ort des Schicksals und der Tradition, in die sich Graf Rochus 2001 stellte, als er die Aufgabe auf Schloss Lübbenau übernahm, die ihn bis heute mit großer Leidenschaft erfüllt: „Je mehr ich mich seither persönlich mit unserer Familiengeschichte auseinandersetze, desto mehr erkenne ich, wie stark sie ist und dass ich mich ihretwegen trotz aller entgegengesetzten Lebensträume widerspruchslos in die Pflicht nehmen ließ. Mir wird immer klarer: In dieser langen Kette einer Tradition zu stehen, bedeutet viel mehr als nur einen Besitz zu verwalten. Wir sollten aus den Vorbildern Kraft schöpfen und uns bewusst als Bewahrer einer langen Tradition verstehen, da sie nur durch uns lebendig gehalten werden kann.“